Baden-Württemberg
Polizist getötet: Neun Jahre Haft für Hells Angels-Mitglied

KOBLENZ. Der geflügelte Totenkopf der Hells Angels ist überall zu sehen. Auch zur Urteilsverkündung kommen mehrere Dutzend Mitglieder des Motorradclubs, um dem angeklagten 44-jährigen Rocker beizustehen. Doch der Mann muss laut Richterspruch für den tödlichen Schuss auf einen Polizisten neun Jahre hinter Gitter. Das Landgericht Koblenz spricht ihn am Montag des Totschlags schuldig.

Einige im Saal stöhnen, die Stirn des langhaarigen 44-Jährigen, der ganz in schwarz gekommen war, legt sich in Falten. Er hatte zugegeben, am 17. März vergangenen Jahres durch seine geschlossene Haustür gefeuert zu haben. Er sei allerdings davon ausgegangen, dass ein verfeindeter Rockerclub ihn angreife. Ein 42 Jahre alter SEK-Beamter starb damals.

Der Polizist war am frühen Morgen mit Kollegen wegen einer Hausdurchsuchung bei dem Rocker in Anhausen bei Koblenz angerückt und sollte die teils verglaste Haustür aushebeln, drei Sperrriegel ließen die Arbeiten jedoch stocken. Der Rocker wurde wach und feuerte aus rund 2,50 Meter Entfernung zweimal auf den Beamten, der letzte Schuss traf den 42-Jährigen trotz Schutzkleidung tödlich.

Das Argument der Notwehr ließ der Richter nicht gelten. «Sie durften in dieser Situation nicht so handeln», sagte er zu dem 44-Jährigen. Der Polizeieinsatz sei zweifelsfrei rechtmäßig gewesen. Zwar sei es glaubwürdig, dass sich der Hells Angel wegen Gerüchten über einen Angriff der Bandidos in Gefahr sah. Doch der Verurteilte hätte in einer vermeintlichen Notwehrsituation angemessen handeln müssen. Ein gezielter tödlicher Schuss zähle nicht dazu, vielmehr hätte er einen Warnschuss abgeben müssen, sagt der Richter.

Nach den Worten des Verteidigers könne es jedoch nicht sein, dass ein Warnschuss den Angeklagten vom Freispruch trenne. Er kritisierte, man könne keinen Warnschuss fordern, «wenn die Polizei schon die Schüsse selber nicht gehört hat». Nach eigenen Angaben hatte der Rocker vor den Schüssen eine Warnung gerufen - in der Hektik vor der Tür war diese aber vermutlich nicht gehört worden. Der Anwalt kündigt an, Revision einzulegen. Die Staatsanwaltschaft will das Urteil überprüfen, da es bei zwei weiteren Vorwürfen Freispruch gab.

Verurteilt wird der 44-Jährige zusätzlich wegen Nötigung und versuchter räuberischer Erpressung. In diesen Anklagepunkten ging es unter anderem um Streitigkeiten im Rotlichtmilieu, die auch die Hausdurchsuchung bei dem Rocker ausgelöst hatten.

In der regionalen Untergruppe der Hells Angels hatte der 44-Jährige laut Gericht die Funktion, «sich mit dem Ärger des Clubs und seiner Mitglieder herumzuschlagen». Der Mann war einst Konditor und ging berufsunfähig in Rente. Seit dem Tod des Polizisten sitzt der 44-Jährige in Untersuchungshaft. Er hatte zum Prozessende gesagt: «Es tut mir von ganzem Herzen leid, was da passiert ist.»

Der Prozess hatte im Herbst 2010 begonnen. Die Hauptverhandlung wurde stets von etlichen Hells-Angels-Mitgliedern verfolgt. Dafür gab es bis zuletzt verschärfte Sicherheitsvorkehrungen mit großem Polizeiaufgebot und Kontrollen wie am Flughafen. Gegen den Hells Angel war zunächst Mordanklage erhoben worden, die Staatsanwaltschaft plädierte jedoch schließlich wegen Totschlags auf zwölf Jahre Gefängnis. Die Anklagebehörde konnte keinen niederen Beweggrund für die Tat nachweisen. Die Verteidigung hatte Freispruch gefordert.

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