Menschen stehen in einem Tübinger Biergarten an der Kasse an, um Essen und Trinken zu bestellen. Dank des dort eingeführten Tagestickets sind Besuche in der Außengastronomie möglich. Foto: Schmidt/dpa
Baden-Württemberg
Alle wollen sein wie Tübingen: Viele Kommunen haben Interesse an Modellversuchen - auch Pforzheim
  • Martin Oversohl und Constantin Hegel

Stuttgart/Kreis Calw/Pforzheim. Während die Politik um eine Perspektive für die lockdownmüden Menschen ringt, wollen Dutzende baden-württembergische Kommunen und Kreise das sogenannte Tübinger Modell mit massiven Schnelltests übernehmen. Ziel sei es, möglichst bald Perspektiven zu haben – nicht nur für die Menschen in Baden-Württemberg, sondern auch für Hotels, Restaurant, Museen und die Kultur, hieß es am Donnerstag aus zahlreichen Rathäusern. „Allein in den letzten drei Tagen hat sich eine dreistellige Zahl an Städten und Gemeinden bei mir gemeldet, die solche Modelle umsetzen wollen“, sagte der Präsident des baden-württembergischen Gemeindetags, Steffen Jäger.

In sogenannten Modellkommunen oder -regionen werden mit strengen Schutzmaßnahmen und Testkonzepten die Beschränkungen in einzelnen Bereichen gelockert. Beim Land beworben haben sich unter anderem der Kreis Calw als Modellregionen sowie Neckarsulm, Ludwigsburg und Singen. Anders als Tübingen hat der Calwer Landrat Helmut Riegger zunächst die Hotellerie in mehreren Touristenstädten im Blick, in einem zweiten Schritt würde er die Ausflugsziele, danach die Gastronomie und schließlich den ganzen Kreis öffnen.

Modell nur mit 50er-Inzidenz

Eine Bewerbung muss aber nicht automatisch erfolgreich sein: Der Kreis Böblingen hat laut Landratsamt bereits eine Absage des Staatsministeriums kassiert. Das Modellvorhaben könne nur dort zugelassen werden, wo die Inzidenz unter 50 liege, zitierte Landrat Roland Bernhard aus der Begründung des Gesundheitsministeriums. „Mit diesen Vorgaben kann kaum ein Landkreis noch einen solchen Antrag stellen“, sagte er.

Keine Bewerbung wird es aus Karlsruhe geben: Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD) sprach am Donnerstag von einem „Wettlauf der Städte und Gemeinden“. Notwendig sei vielmehr eine landesweite und neue Corona-Strategie, die weniger die Inzidenzen in den Blick nehme, sondern Rahmenbedingungen für die Außengastronomie, die Bibliotheken oder auch die Kultur vorgibt. „Wenn die Veranstalter oder auch die einzelnen Stadt- und Landkreise diese Bedingungen erfüllen, dann sollte eine Öffnung auch möglich sein“, sagte Mentrup. Pforzheims OB Peter Boch (CDU) hatte bereits vergangene Woche einen offenen Brief an Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) geschickt. Darin plädierte er für Öffnungen auch in Pforzheim. Am Donnerstag lag die Inzidenz bei 81,8. Eine offizielle Antwort habe es bisher vom Land nicht gegeben, sagt Pforzheims Pressesprecher Philipp Mukherjee.

In einer Mitteilung vom Donnerstag erhöht Boch jetzt den Druck: „Ich plädiere dafür, dass der Besuch des Einzelhandels, der Gastronomie oder kultureller Angebote für alle diejenigen wieder möglich gemacht werden sollte, die ein negatives Schnelltestergebnis vorlegen können“, so Boch. „Unter dieser Voraussetzung sollten wir nun schnell weitere Öffnungsschritte gehen.“ Es sei an der Zeit, neue Wege jenseits des Dauerlockdowns zu wagen, ohne fahrlässig zu handeln. In der kommenden Woche möchte die Stadt ihr Testungskonzept beim Land einreichen. „Wir haben in Pforzheim eine gute Testinfrastruktur aufgebaut, die aus Apotheken, Ärzten und dem Testzentrum auf dem Messplatz besteht“, betont Boch. Weitere Bausteine würden sukzessive hinzukommen.

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