Nina Stemme als Elektra und Elza van den Heever als ihre Schwester Chrysothemis im Bühnenbild von Philipp Stölzl mit der Einblendung des gerade gesungenen Textes.
Monika Rittershaus
Kultur
Berliner Philharmoniker: Klanggewaltige „Elektra“ zur Eröffnung der Osterfestspiele Baden-Baden
  • Sandra Pfäfflin

Baden-Baden. Es ist eine Kraft, die auf den Magen schlägt, die aber auch zwingt, genau zuzuhören. Die markante Fanfare drückt aus dem Orchestergraben – und sofort ist klar: Die Berliner Philharmoniker unter der Leitung ihres Chefs Kirill Petrenko gestalten eine „Elektra“, die diese großartige Musik von Richard Strauss mit ganz neuem, ungehörten Leben erfüllt. Donnernde Lautstärke, die immer nuanciert bleibt, und eine Klangschönheit, die bei aller Brutalität der Partitur zum puren Genuss wird. Zum Auftakt der Osterfestspiele in Baden-Baden gibt es Bravorufe und stehende Ovationen für dieses außergewöhnliche musikalische Erlebnis.

Faszinierende Nina Stemme

Und kein Wunder, dass auch die herausragenden Stimmen der differenziert agierenden Sängerinnen gefeiert werden. Nina Stemmes dramatischer Sopran lässt Schauer über den Rücken laufen, wenn sie den Tod ihres Geliebten Vaters Agamemnon betrauert und vor Wut bebt, wenn sie seine Ermordung durch ihre Mutter Klytämnestra und deren Geliebten Aegisth nicht verwinden kann, wenn die Rache sie aufzufressen scheint. Stemme geht in dieser Rolle auf – stimmlich und darstellerisch.

Verzweiflung und kaltes Kalkül: Michaela Schuster, international gefeierte Wagner-Interpretin, verleiht der Klytämnestra genau diese ambivalenten Züge – nicht nur in ihrem Spiel, sondern vor allem in ihrer Stimme. Unfassbar eindringlich und differenziert gestaltet sie diese anspruchsvolle Rolle. Ebenso herausragend in diesem Damen-Trio ist Elza van den Heever als Chrysothemis, die auch stimmlich mit ihren Kolleginnen bestens mithalten kann.

Bei so viel Frauen-Power kommen Johan Reuters als Elektras Bruder Orest und Wolfgang Ablinger-Sperrhacke als Aegisth eher blass daher. Was auch an der Regie, der Ausstattung und dem Lichtkonzept von Philipp Stölzl liegen mag. Das Kultur-Multitalent – Film, Schauspiel, Oper bei den Bregenzer Festspielen – gönnt ihnen kaum eindringliche Szenen, lässt Orest als Kriegsversehrten mühsam mit seinen Krücken klettern und Aegisth auf offener Bühne irgendwie meucheln.

Nicht nur die Herren der Schöpfung haben es in diesem Bühnenbild nicht leicht: Stölzls wie Schachteln und Stufen übereinandergeschichtete, sich häufig verengende Plateaus in Betonoptik lassen kaum Bewegung zu. Es wird gekrochen, gekraxelt, gestürzt. Und zwar so vehement, dass für Klytämnestras Todessturz eine Stuntfrau zum Einsatz kommen muss. Was eine klaustrophobische Atmosphäre erzeugen soll, schränkt die Protagonisten häufig ein, zwingt sie, in extrem gebückter Haltung zu singen.

Auf die Dauer eintönig

Optisch aufgepeppt wird das düstere Geschehen durch die in mal gleißend helles, mal dunkelgrün chargierendes und zum Schluss in blutigem Rot ausgeleuchteten Plateaus. Auf die Stölzl, grafisch interessant, den Text des Librettos von Hugo von Hofmannsthal projiziert. Auf die Dauer wirkt das eintönig, fast schon nervig, zumal sehr textverständlich gesungen wird und zusätzlich die Einblendung in deutsch und englisch angeboten wird.

So ist es verlockend, ab und an die Augen zu schließen, dem klanglichen Wunder der 110 Musikerinnen und Musiker, den herausragenden Solistinnen, den gut disponierten Sängerinnen und Sängern kleinerer Rollen und dem Prager Philharmonischen Chor zu lauschen. Einfach zurücklehnen – und das musikalische Wunderwerk Kirill Petrenkos genießen.

Es gibt noch Restkarten für die „Elektra“-Aufführungen am 23.und 26. März sowie für die meisten Kammerkonzerte.

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