Dass in Wildbad CDs produziert werden, freut Schönleber. Um das Festival bekannt zu machen, sind sie unersetzlich. Ketterl
Kultur
Seit 25 Jahren ist Jochen Schönleber Intendantbei „Rossini in Wildbad“
  • Simon Püschel

Dass Jochen Schönleber (57) den Wildbader Rossini-Festspielen schon seit 25 Jahren vorsteht, hätte am Anfang niemand gedacht. Zu schlecht war die Stimmung in der Stadt, zu groß das Misstrauen gegenüber dem Wagnis, ein Spezialfestival im Nordschwarzwald zu installieren – abseits der großen Metropolen und Verkehrswege.

Schönlebers Vorgänger – der Dirigent Wilhelm Keitel – war gescheitert. Die 1989 gegründeten Festspiele standen schon nach zwei Jahren vor dem Aus. Dass sie überlebt haben, ist einem einfachen Zahlenspiel zu verdanken – und Schönleber. „1992 war Rossini-Jahr; der 200. Geburtstag des Komponisten“, sagt er. Das musste gefeiert werden – auch in Wildbad. Dort, wo Rossini als alter Mann zur Kur vorbeischaute. Schönleber bekommt die Saison über die Bühne – irgendwie.

Auf sicheren Beinen steht „Rossini in Wildbad“ da lange noch nicht. Aber jedes Jahr bringt das Festival voran. 1993 besucht Karlheinz Stockhausen, damals der bedeutendste lebende Komponist Deutschlands, die Festspiele – und will sie direkt selbst übernehmen. Doch hier steht Rossini im Mittelpunkt, nicht der extravagante Stockhausen. Schon ein Jahr später hat sich anscheinend rumgesprochen, was Schönleber in Wildbad aufbaut. Der erste Rossini-Verrückte findet 1994 den Weg an die Enz. „Das war Professor Ramiro. Der kam für die Festspiele aus Urugay“, sagt Schönleber. 1995 der nächste Meilenstein. Roman Herzog, damals Bundespräsident, besucht Wildbad. „Der wollte eigentlich in der Pause gehen, wenn’s ihm zu heiß ist“, erinnert sich Schönleber. „Es war zu heiß. Aber geblieben ist er trotzdem.“

Stetig stabilisiert sich das Festival. Aber auf ganz bruchsicheren Fundamenten steht es auch heute noch nicht. Viel Optimismus ist auch jetzt noch dabei, wenn Schönleber das nächste Programm plant. Es gibt sicherere Jobs als „Rossini“-Intedant, besser bezahlte auch. Aber Schönleber klagt nicht; er hat seine Aufgabe gefunden – und freut sich, anerkannt zu sein in der Riege der Opernmacher.

Doch am Anfang, da stand eine andere Kunst im Vordergrund: der Film. Der Vater ist Arzt in Tailfingen auf der Alb, später in Sindelfingen. Dort erwacht Schönlebers Leidenschaft zur Kamera, auch zum Theater. Er ist nicht alleine damit.

Eine merkwürdige Blase an späteren Filmschaffenden bläht sich da in den 1970er-Jahren in Sindelfingen auf. Roland Emmerich ist wenige Klassen über ihm, mit dem Erfolgsproduzenten Nico Hoffmann stellt Schönleber seinen ersten Film an der Schule vor.

Warum sind denn alle so filmbegeistert? „Weil wir wegwollten aus dieser geisttoten Stadt“, sagt Schönleber. Da habe es ein Vakuum gegeben, das nur Kunst auszufüllen scheint.

Schönleber geht weg; studiert in Tübingen Philosophie, Literatur- und Musikwissenschaft. Dort lebt er noch heute. Dann klopft er an in Bayreuth, erlebt dort den legendären Jahrhundertring unter Patrice Chéreau. Die nächste Station: Karlsruhe. Er ist Assistent unter Juri Ljubimow. „Der war so verhasst, dass sich alle krankgemeldet haben.“ Das führt zu ganz praktischen Problemen: Denn wo gibt man den Probenplan ab, wenn das ganze Theater verwaist ist? Schönleber lernt, mit widrigen Umständen umzugehen.

Was das Theatervolk abschreckt, macht Schönleber bekannt in der DDR. Ljubimow ist dort hoch geschätzt. Schönleber soll an die Semperoper; er lehnt ab. Zu stark sind die Beziehungen, die ihn halten.

Für kurze Zeit kehrt er zurück nach Sindelfingen, organisiert Konzerte, auch Kammeropern. Doch der Kulturetat wird geschrumpft. Schönleber kann keine großen Orchester wie die Dresdener Staatskapelle mehr in die Stadthalle locken. Dann kommt Wildbad. Schönleber ist da knapp über dreißig. Sechzig wird er sein, wenn in drei Jahren das Wildbader Festival seinen dreißigsten Geburtstag feiert. Ist er da noch dabei? Sein Vertrag läuft bis 2018. Aber Schönleber hat noch Lust. „Ich bin noch nicht müde“, sagt er. Nur souveräner sei er geworden, wenn wieder einmal die nächste Krise ansteht. Wie hätte er es sonst durch die turbulenten 25 Jahre geschafft?

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