Waldorfschule suspendiert Lehrer nach «Reichsbürger»-Vorwürfen
Schüler sitzen in einer Freien Waldorfschule vor Afrikazeichnungen.
Sebastian Gollnow/dpa/Archivbild
Baden-Württemberg
Schule trennt sich nach «Reichsbürger»-Vorwürfen von Lehrer

Weil er im Unterricht «Reichsbürger»-Ideologien verbreitet haben soll, ist ein Lehrer der Freien Waldorfschule in Ravensburg suspendiert worden. «Wie uns bekannt ist, hat er in den Gesprächen mit den Schülern und Schülerinnen im Unterricht Äußerungen und Bemerkungen gemacht, die als Beeinflussung gedeutet werden können», teilte die Schule am Donnerstag mit.

Der Vertrag mit dem Mann sei Anfang März aufgelöst worden. Der Lehrer habe Gartenbau unterrichtet. Der Vorfall werde umfangreich aufgearbeitet. Zuvor hatten mehrere Medien über die Vorwürfe berichtet.

Ans Licht gekommen war der Fall durch einen Artikel von «Zeit Online». Der Lehrer hatte demnach Fantasiedokumente mit in den Unterricht gebracht. Schüler hatten laut Angaben des Regierungspräsidiums Tübingen einen «Reichsbürger»-Ausweis bei dem Mann entdeckt. Auch einen fiktiven Führerschein soll er im Geldbeutel gehabt haben.

Sogenannte Reichsbürger bestreiten die Existenz der Bundesrepublik Deutschland und erkennen ihre Rechtsordnung nicht an. Etwa 23 000 Menschen gehören laut dem Verfassungsschutz bundesweit der Szene an.

Das zuständige Regierungspräsidium Tübingen sei durch die Journalisten-Recherche im Februar auf den Fall aufmerksam gemacht worden, sagte ein Sprecher. Die Aufsichtsbehörde stehe in Kontakt mit der Schule. «Als wir Kenntnis von den Problemen an der Waldorfschule Ravensburg bekamen, haben wir die Schulleitung vor Ort um Darstellung ihrer Sicht der Dinge gebeten.»

Die Behörde habe auch an Schulen in freier Trägerschaft die Aufgabe, für die Einhaltung der Bildungspläne sowie dafür zu sorgen, dass im Raum der Schule keine verfassungswidrigen Inhalte verhandelt würden. Die Schule selbst habe Aufklärung versprochen, so der Sprecher weiter. Es habe auch Vorwürfe gegen zwei weitere Lehrkräfte gegeben.

Der Vorstand der Schule teilte am Donnerstag mit, dass die Vorwürfe gegen weitere Lehrkräfte teilweise weit zurück lägen und vor Jahren aufgeklärt worden seien. Aktuell gebe es keine weiteren Hinweise darauf, dass noch andere Lehrkräfte Verschwörungsmythen im Unterricht verbreiten würden, so eine Vorstandssprecherin.

Bei der Aufarbeitung der «aktuellen Vorwürfe» soll auch der Verein Bildungseinrichtungen gegen Rechtsextremismus helfen. Auf ihrer Webseite distanziert sich die Schule «von den Inhalten und Ideologien der «Reichsbürger», der Querdenkenden und anderen Verschwörungstheoretikern sowie Extremisten». Neutralität im Unterricht sei oberstes Gebot.

Laut Regierungspräsidium sei die Schule bisher nur während der Pandemie aufgefallen. In der Corona-Zeit habe es «überdurchschnittliche Probleme mit der Durchsetzung der Maskenpflicht» und viele Maskenbefreiungsatteste gegeben. Das Problem sei aber zusammen mit der Schulleitung gelöst worden.

Die weitere Aufarbeitung des Falls soll auch eng betreut und begleitet werden durch die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Waldorfschulen in Baden-Württemberg (LAG). «Zurzeit werden an der Schule noch weitere Gespräche geführt», erklärte ein Sprecherin des Interessensvertretung Bund der Freien Waldorfschulen.

Um den Ruf von Waldorfschulen werde nach dem Vorfall in Ravensburg nicht gefürchtet. «Denn solche Vorkommnisse sind - so ärgerlich sie sind - Einzelfälle, die an jeder Schule, gleich welcher Schulart, auftauchen können», so eine Sprecherin. Wichtig sei dem Dachverband, dass sofort nach dem Bekanntwerden eines solchen Vorfalls untersucht und konsequent gehandelt werde.

Verein Bildungseinrichtungen gegen Rechtsextremismus

Stellungnahme der Freien Waldorfschule Ravensburg

Informationen zu Rechsbürgern und Selbstverwaltern

Artikel von Zeit Online

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