Der 37-Jährige ist Diplompädagoge und landete mit dem Buch „Isch geh Schulhof“ einen Bestseller. Mittlerweile setzt er sich für ein säkularisiertes Weltbild ein, für Werte des Humanismus. Er war Pressesprecher der „gottlosen“-Buskampagne in Berlin und arbeitet heute für die Giordano-Bruno-Stiftung. Möller ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt in Berlin
Pforzheim
Philipp Möller: „Gottes Existenz ist so wahrscheinlich wie die der Zahnfee“
  • Alexander Huberth

Philipp Möller glaubt nicht an Gott. Das allein wäre nicht bemerkenswert, doch Möller hat ein Buch geschrieben – „Gottlos glücklich“ – das er kommende Woche im PZ-Autorenforum vorstellt und in dem er die enge Verquickung von Staat und Kirche anprangert.

Glaube, sagt Möller im PZ-Interview, sei Privatsache. Kirchliche Privilegien und Einmischungen mag er als Atheist aber nicht mehr hinnehmen.

PZ: Herr Möller, sind Sie glücklicher als Gläubige?

Philipp Möller: Ich bin sicherlich in einem gewissen Maße selbstbestimmter als viele Gläubige. Ich muss auch keine Angst vor der Hölle haben und keine falsche Hoffnung auf ein Leben im Paradies. Ich bin nicht immer glücklich, aber ich bin durchaus glücklich, gottlos zu sein. Das ermöglicht ein entspanntes Leben.

PZ: Die wenigsten Christen dürften noch an die Hölle glauben.

Philipp Möller: Die Gläubigen gibt es ja nicht, das ist eine extrem heterogene Bevölkerungsgruppe. Die allermeisten Gläubigen sind wahrscheinlich tatsächlich U-Boot-Christen, die nur einmal im Jahr in der Kirche auftauchen. Die haben auch keine Probleme mit Homosexualität, Verhütung oder Schwangerschaftsabbruch. Nichtsdestotrotz gibt es unheimlich viele Privilegien, die die beiden großen Kirchen genießen. Darum geht es mir, nicht um den Angriff des persönlichen Glaubens.

PZ: Immerhin steht in der Präambel des Grundgesetzes, dass die Verfassung in der Verantwortung vor Gott geschrieben wurde. Eine Verquickung von Staat und Kirche ist also durchaus gewollt.

Philipp Möller: Im Grundgesetz ist aber auch die Trennung von Staat und Kirche festgelegt. Und doch ist die Verquickung immens. Mein Kollege Carsten Frerk sagt immer, wir leben in der Kirchenrepublik Deutschland. Wir spielen als Staat die Inkassogesellschaft für die beiden Kirchen, wir gestatten ihnen den fast ungeschützten Zugriff auf Kinderhirne, indem wir konfessionellen Religionsunterricht an öffentlichen Schulen stattfinden lassen, den wir auch noch aus Steuergeldern bezahlen, inhaltlich aber vollkommen den Kirchen überlassen. Wir überlassen Caritas und Diakonie das Recht, außerhalb des geltenden deutschen Arbeitsrechts zu agieren. Und das sind nur drei Beispiele aus der Kirchenrepublik Deutschland, in der die Kirchen unfassbare Privilegien mit zweifelhaftem historischen Hintergrund genießen.

PZ: Warum sollen kirchliche Einrichtungen wie Caritas oder Diakonie keine eigenen Vorgaben machen können? Sie stellen schließlich zahlreiche Einrichtungen zur Verfügung.

Philipp Möller: Dafür gibt es zwei einfache Gründe. Erstens: Sie beschäftigen auf deutschem Boden Mitarbeiter. Ich finde, wer innerhalb der Bundesrepublik Deutschland Mitarbeiter anstellt, hat sich an das Arbeitsrecht zu halten. Dass die Kirchen vom Betriebsverfassungsgesetz und vom Allgemeinen Gleichstellungsgesetz ausgenommen sind, ist ein absoluter Skandal. Die können bei der Bewerberauswahl Diskriminierung betreiben. Und sie können Menschen aus einem unbefristeten Arbeitsverhältnis fristlos entlassen, wenn diese entweder aus der Kirche austreten oder sich zu einer homosexuellen Partnerschaft bekennen. Das ist eine Katastrophe.

PZ: Und der zweite Grund?

Philipp Möller: Das sind überhaupt keine kirchlichen Einrichtungen, denn sie werden zu 98 Prozent aus öffentlichen Geldern bezahlt. 1,8 Prozent trägt die Kirche. Ich finde, das sind doch zwei wirklich hinreichende Gründe, warum auch die 1,3 Millionen Angestellten von Caritas und Diakonie uneingeschränkt durch deutsches Recht geschützt sein sollten.

PZ: Trotzdem: Gäbe es die Kirchen nicht, gäbe es zum Beispiel weniger Kindergärten.

Philipp Möller: Zunächst mal sind das keine christlichen Kindergärten, sondern Kindergärten in der Trägerschaft der beiden Kirchen. Wir könnten diese Kindergärten zu 98,2 Prozent finanziell genauso erhalten, wie sie jetzt sind, wenn wir sie aus der Trägerschaft von Caritas und Diakonie nehmen. Aber dafür plädiere ich gar nicht, die können gerne die Trägerschaft behalten. Ich will nur, dass dort das gleiche Arbeitsrecht gilt wie für alle anderen. Und das ist nun wirklich nicht zuviel verlangt.

PZ: Was spricht gegen den konfessionellen Religionsunterricht? Das Christentum ist schließlich Teil unserer Kultur.

Philipp Möller: Das stimmt, wenn es auch eher Teil der Vergangenheit, denn der Gegenwart ist. Die meisten Menschen sind nicht mehr religiös, 79 Prozent der jungen Deutschen sagen von sich, dass sie gottlos glücklich sind. Ich bin aber gewiss nicht dafür, das Christentum in der Schule zu tabuisieren, im Gegenteil. Religion muss Thema sein. Wer heute nichts über Religion weiß, der versteht nicht mal die Tagesschau. Wir könnten das Wissen über Religion durchaus im Geschichtsunterricht vermitteln oder in einem konfessionsfreien Ethikunterricht. Doch der konfessionelle Unterricht ist nicht dazu da, Kinder über Religion zu informieren, sondern die Bekenntnisinhalte der jeweiligen Bezugsreligion als Wahrheit zu vermitteln. Ich finde, in die Schulen gehören Erkentnisse, Bekenntnisse hingegen gehören in die Kirchen.

PZ: Wären wir ohne Religion tatsächlich besser dran, so wie sie es in Ihrem Untertitel formulieren?

Philipp Möller: Ich weiß nicht, ob wir ohne den persönlichen Glauben besser dran wären. Aber ohne die institutionalisierte Hirtenmythologie, die in Deutschland aus zwei turbo-kapitalistischen und höchst bigotten Jesuskonzernen besteht, wären wir tatsächlich freier, selbstbestimmter und als Gesellschaft fairer aufgestellt.

PZ: Klassisch religionsfreie Staatengebilde wie im Kommunismus sind andererseits nicht gerade Paradebeispiele für die Erhaltung und Entfaltung von Werten.

Philipp Möller: Dazu muss man aber sagen, dass die heute als christlich bezeichneten westlichen Gesellschaften schon lange säkulare Gesellschaften sind. In der Zeit, in der sie noch christlich waren, waren das auch nicht gerade die Hochphasen der Menschlichkeit. Zu Zeiten des Nationalsozialismus waren 99 Prozent der Deutschen Christen. Dass die kommunistischen Regime atheistisch waren, mag stimmen. Aber sie waren ganz sicherlich nicht humanistisch. Sie waren Ideologien, sie waren Politreligionen, die genau wie andere Religionen auch unumstößliche Gesetze hatten, Dogmen, Heilige, die nicht zu hinterfragen waren. Mit einem solchen System möchte ich mich natürlich nicht in Verbindung setzen lassen, nur weil ich nicht an Gott glaube. Mein Atheismus ist genauso wichtig wie mein Afeeismus, weil ich nicht an Feen glaube. Für meine politische Überzeugung ist mein Humanismus wichtiger und mein Säkularismus, der Religion als Privatsache betrachtet.

PZ: Sie kritisieren nicht nur das Christentum, sondern auch den Islam. Mussten Sie sich deshalb schon in die rechte Ecke stellen lassen?

Philipp Möller: Nein. Wenn man gleichermaßen alle kritisiert, dann sind die total geschockt. Denn häufig stammt die Islamkritik aus der christlich-nationalen Ecke der AfD. Die betreiben aber gar keine Islamkritik, sondern das ist Antimuslimismus, der gezielte Hass auf Menschen muslimischen Glaubens. Wir hingegen kritisieren Ideen, Ideologien, Handlungen. Aber wir beschuldigen deswegen nicht die Gläubigen pauschal, Islamisten zu sein.

PZ: Wer die Existenz Gottes leugnet, zieht die Wut vieler überzeugter Christen auf sich. Brauchen Sie ein dickes Fell?

Philipp Möller: Ja, das schon. Aber das Gute ist, dass ich die Realität hinter mir stehen habe. Ich leugne übrigens nicht die Existenz Gottes. Sondern ich sage: Die Existenz Gottes ist genauso wahrscheinlich wie die der Zahnfee.

Info:

Philipp Möller stellt am Donnerstag,19. Oktober, um 19 Uhr sein Buch „Gottlos glücklich“ im PZ-Autorenforum vor. Karten zum Preis von 8,50 Euro (Inhaber der PZ-AboCard zahlen nur 5,50 Euro) unter Telefon: (0 72 31) 9 33-1 25

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