Im gemütlichen Zuhause an der Mathystraße: Axel Hertenstein. Foto: Meyer
Kultur
Pforzheimer Künstler Axel Hertenstein feiert 80. Geburtstag
  • Sandra Pfäfflin

Pforzheim. Ein ansehnlicher Stapel Bücher liegt vor Axel Hertenstein: obenauf sein allererstes Buch – Illustrationen zu Gedichten von Else Lasker-Schüler. Damals war er 26. Heute feiert der beliebte Grafiker, Maler, Zeichner und Buchdrucker den 80. Geburtstag – und blickt zurück auf ein Leben voller Bücher und Kunst.

Die Jugendjahre

An sein erstes Buch kann sich Axel Hertenstein noch gut erinnern: „Der Struwwelpeter“ von Heinrich Hoffmann. Lesen kann er damals noch nicht, aber die bunten Bilder faszinieren ihn. „Bücher sind mir in die Wiege gelegt“, sagt Hertenstein, wächst er doch in einem Elternhaus voller Leseratten auf. Vater und Mutter lesen immer, und der Sohn bekommt all die bekannten Märchenbücher geschenkt. Lebhaft ist ihm das Buch „Kasper und der Räuber Jaromir“ in Erinnerung, in dem der diebische Ganove seine Beute bei der Hexe Wackelzahn versteckt. Klein-Axel ist nachhaltig beeindruckt, und als die Tante vom Bodensee zu Besuch kommt, die nur noch über einen Zahn verfügt, platzt der literarische Vergleich aus dem Buben heraus – sehr zum Entsetzen der Eltern.

Das Studium

„Bei der Abifeier wusste ich noch nicht, was ich werden sollte“, sagt Hertenstein. Nur eines weiß er: Malen und zeichnen bestimmen einen Großteil seiner Freizeit. „Nur – wie sage ich es meinen großbürgerlichen Eltern?“ Schließlich findet sich ein Kompromiss: Jung-Axel studiert Werbegrafik, ab 1958 für zwei Semester – als „Lieblingsschüler von Karl-Heinz Wiener“ an der Kunst- und Werkschule. Doch der schickt ihn weiter – an die Akademie nach Karlsruhe. Gewandstudien, Aktzeichnen – Hertensteins künstlerische Ausbildung ist grundlegend – und für ihn eher langweilig. „Ich bin immer häufiger in die Typografischen Werkstätten geflüchtet“, sagt er. Damals fängt er an, Gedichte zu lesen – ausschlaggebend ist die Begegnung mit dem Werk von Else Lasker-Schüler. Und so widmet er ihr sein erstes Buch – mit Linolschnitten, die in ihrer Verbindung von amorphen Formen zwischen Tier, Pflanze und Geometrie schon seinen künstlerischen Lebensweg vorwegnehmen. 50 Exemplare druckt Axel Hertenstein 1963. Neben Gedichten liest er vor allem französische Theaterstücke – von Camus, Sartre, Anouilh. Besucht häufig Paris und kleidet sich wie seine Vorbilder: ganz im Existenzialisten-Look mit schwarzem Rollkragenpullover und engen Hosen.

Die Familienjahre

Doch der studierte Grafikdesigner muss auch Geld verdienen. Nach dem Uni-Abschluss macht er sich selbstständig, arbeitet für Firmen, gestaltet Programmhefte und Plakate für das Pforzheimer Stadttheater. Er gründet eine Familie, die drei Kinder kommen zur Welt. Aber er steckt in der Zwickmühle: Für „blödsinnige Konsumartikel“ Werbung zu machen, fällt ihm immer schwerer. „Ich habe davon geträumt, nur künstlerisch zu arbeiten.“ Doch Kunst verdient nur bedingt Geld …

Der Neuanfang

1972 wagt Axel Hertenstein den Schritt in ein neues Leben: Er widmet sich ausschließlich der Kunst. Erfolge kann er bereist vorweisen: Zwölf Bücher sind in seiner Hertenstein-Presse erschienen. 1967 mit „Jovanca“ das erste: 21 Linolschnitte mit gegenübergestellten Zitaten. Die 200 Exemplare werden von Rolf Dettling in Pforzheim gedruckt. Die kleineren Auflagen stellt Hertenstein selbst her: im Handpressendruck. Eine harte körperliche Arbeit, denn neben dem – oft mehrfachen farbigen – drucken, muss gefalzt, zusammengetragen, gebunden werden. Überwiegend Linolschnitte bestimmen seine Bücher, aber auch Metallätzungen und Offsetcollagen.

Angekommen

Auch mit seinen Bildern ist Hertenstein erfolgreich: Ausstellungen in Deutschland, Frankreich, Österreich und Kanada folgen. Als Verleger findet Hertenstein seine Autoren bei den unterschiedlichen Buchmessen, bei denen er präsent ist. Oder im Hörsaal, wie Alois Brandstetter. Der lehrte an der Uni in Saarbrücken, wo ihn Hertenstein kurzerhand aufsucht, nachdem er seine Texte gelesen hat. Wie alle anderen Autoren der Hertenstein-Presse stimmt auch er gerne zu, mit dem Pforzheimer ein Buch zu machen. Doch manchmal geht es auch den umgekehrten Weg: Die Autorin Gisela Maler schreibt ein Gedicht zu Hertensteins Bild „Vogelsee“.

Die Erfolgsjahre

Die Hertenstein-Presse fasziniert immer mehr Sammler und öffentliche Einrichtungen, die Werke des Pforzheimers finden sich in allen wichtigen Bibliotheken der Welt, er wird mit dem renommierten V.O. Stomps-Preis ausgezeichnet, Ausstellungen würdigen sein Werk, bekannte Buchkunstverlage verpflichten den Künstler. Und Axel Hertenstein druckt: Gedichte zeitgenössischer Autoren, die beim vielfachen Lesen Bilder in seinem Kopf entstehen lassen, eine Klassiker-Reihe, Tierbilder. 145 Bücher und 24 Mappen sind bis heute entstanden – in Auflagen von rund 50 bis 300 Exemplaren. Darunter auch seine Lieblingsbücher, die er für die fünf Enkel geschaffen hat mit seinen liebenswert-lebhaften Fabelwesen. Ans Aufhören denkt der 80-Jährige noch lange nicht, denn „das Drucken geht ins Blut“.

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