Saxofonistin mit Band: Nicole Johänntgen im „domi“. Foto: Frommer
Kultur
Nicole Johänntgens Quartett Henry II im Brötzinger Jazz-Club „domicile“
  • Robin Daniel Frommer

Pforzheim. Die Frau hat Mut! Energiegeladen und kompromisslos gut gelaunt trägt Saxofonistin Nicole Johänntgen ansteckend heiteres New-Orleans-Feeling in den Jazz-Club „domicile“. Mit einer kleinen, aber kongenialen Besetzung: Posaunist Jon Ramm aus Seattle, Schlagzeuger Paul Thibodeaux aus Luling, Louisiana, und Sousafonist Steven Glenn aus Colorado.

Das Besondere daran? Platt formuliert, alle vier Musiker spielen, als gäbe es kein Morgen. Die Band oszilliert stilistisch zwischen schwofig-vergnügtem New-Orleans-Jazz, Disco und nach vorne gehendem Funk. Paul „Uncle“ Thibodeaux entfacht ein mitreißendes Trommelfeuer aus Rimclicks und Rimshots auf seinem Schlagzeug, als wären die Felle seiner Snare und Pauke gerade in Elternteilzeit. Im nächsten Moment beweist er das glatte Gegenteil, bedeckt seine Drums kurzerhand mit weißen Laken und lässt sie so bei jedem satten Anschlag extrem trocken und hart tönen. Bei oft besonders rascher Schlagzahl klingt sein Instrument ab und an wie ein wütend in die Nacht feuerndes Maschinengewehr.

Nicht minder seh- und hörenswert agiert der groß gewachsene Steven „Tanzbär“ Glenn – in bester Spiellaune – unter seinem 15 Kilo schweren Sousafon. Unerschütterliche Basslinien liefert er mit der gleichen Präzision und Strahlkraft wie warme Soli und melodische Fill-Ins. Als wahrer Ausnahmekönner entlockt Jon „Prof. Dr. Longhair“ Ramm seiner Posaune ungeahnt fein dosierte Klänge. Solo und unisono mit der gebürtigen Saarländerin Nicole Johänntgen am Sopransaxofon – oder im knisternden Wechselspiel mit ihr und mit Glenn.

Johänntgen lässt ihr Instrument mal elegant, fein und warm, mal heißer, rau und sandgestrahlt klingen. Es bedarf keiner allzu großen Fantasie, in ihren Kompositionen immer wieder Bildfolgen, Klänge und Farben aus New Orleans zu entdecken. Kaum verwunderlich, denn in der Südstaatenmetropole fanden die vier Musiker zum Quartett Henry zusammen. Drei von ihnen leben die meiste Zeit in „Nola“. Ein Stück Lebensgefühl vom Golf von Mexiko färbt auch ab auf die getragene Komposition „A Nightwalk“. Die entstand zwar bei einer sternenklaren Nacht in Ellmendingen, verströmt aber Louisiana-Luft, weckt Assoziationen an eine gemächlich schreitende Marching Band, irgendwo zwischen St. Ann und St. Phillip Street, am Kehraus nach Mardi Gras.

Das Pforzheimer Publikum scheint nach dem Hinweis, dass das Konzert mitgeschnitten wird, zunächst abwartend, fast scheu. Mit fortschreitender Dauer des Konzerts weicht diese Zurückhaltung aber einer mit viel Beifall bekundeten Begeisterung. Es ist schon weit nach 23 Uhr, als die Konzertgäste Johänntgen und ihren Mitstreitern eine Zugabe abtrotzten.

Themen

Kultur