Booster gegen Corona: Für wen die Auffrischung jetzt wichtig ist
Dafür sähen die Bundesländer unter anderem Impfbusse und Impfzentren vor, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) nach einem Treffen der Fachminister von Bund und Ländern am Freitag in Lindau.
picture alliance/dpa | Bernd Weißbrod (Symbolbild)
Politik
Mit Impfbussen und -zentren: Bund und Länder wollen Booster-Impfungen für alle nach sechs Monaten ermöglichen
  • dpa

Berlin/Lindau. Breite Auffrischimpfungen sechs Monate nach der zweiten Spritze, Testpflicht in Pflegeheimen, genauere Kontrollen von Zugangsregeln: Wegen der immer kritischeren Corona-Lage setzen Bund und Länder auf dringenden zusätzlichen Schutz im Winter vor allem für ältere und gefährdete Menschen. "Vor uns liegen sehr schwere Wochen", sagte der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Freitag nach einer Konferenz mit seinen Länderkollegen in Lindau am Bodensee. Wichtig sei, die jetzt "mit voller Wucht" kommende vierte Welle zu brechen. Dazu rücken in stark betroffenen Regionen auch neue Beschränkungen für Ungeimpfte in den Blick. Für sie setzte das Robert Koch-Institut (RKI) die Risikoeinstufung von "hoch" auf "sehr hoch".

Die Lage: Die Corona-Ausbreitung beschleunigt sich weiter rasant. Die Gesundheitsämter meldeten mit 37 120 neuen Infektionen binnen eines Tages einen Rekordwert seit Beginn der Pandemie, wie das RKI bekannt gab. Die bundesweit gemeldeten Fälle pro 100 000 Einwohner in sieben Tagen übertrafen mit nun 169,9 den Höchststand der dritten Welle im Frühjahr - am höchsten ist die Sieben-Tage-Inzidenz in Thüringen und Sachsen mit mehr als 380. Spahn machte deutlich, dass in den nächsten Wochen mit immer mehr Intensivpatienten zu rechnen sei. In ersten Regionen müssten Corona-Patienten in andere Kliniken verlegt werden.

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Auffrischungen: Impf-Verstärkungen ("Booster") rücken immer stärker zum Abflachen der Welle in den Blick. Und Bund und Länder wollen dazu nach einigen Debatten jetzt ein klares Signal senden:

"Boostern nach sechs Monaten sollte die Regel werden, nicht die Ausnahme",

sagte Spahn.

Konkret sind es zunächst Ältere, Menschen mit Vorerkrankungen, Pflegebedürftige und Gesundheitspersonal, die nun Auffrischungen bekommen sollen - sie waren beim Impfstart zu Jahresbeginn auch als erste an der Reihe. Insofern sei das prinzipiell auch kein Gegensatz zur Ständigen Impfkommission (Stiko), machte Spahn deutlich. Das Gremium empfiehlt "Booster" vorerst enger gefasst etwa ab 70 Jahren.

Mehr Impf-Schub: Nach und nach sollen dann aber auch Millionen weitere Geimpfte Auffrischungen bekommen. Daher seien neben den Praxen auch öffentliche Angebote nötig, betonte Spahn. Die Länder beschlossen, dass dafür insbesondere mobile Impfteams an den Start gehen sollen. Bisher haben gut 2,5 Millionen Geimpfte eine Auffrischung bekommen, mehr als zehn Millionen kämen aktuell aber schon in Frage. Der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl, warb in der "Augsburger Allgemeinen" (Freitag) dafür: "Wenn das Virus auf so jemanden trifft, dann ist für den Erreger Endstation und die Verbreitung wird unterbunden."

Pflege: Für besonders verwundbare Pflegebedürftige soll mehr Schutz kommen, ohne sie in der Vorweihnachtszeit zu isolieren. Es gehe um eine "Sicherheitsschleuse" in den Heimen, sagte der Vorsitzende der Länder-Minister, Klaus Holetschek (CSU), aus Bayern. Laut Beschluss sollen für alle Einrichtungen im Winter Testkonzepte für Personal und Besucher Pflicht werden - auch für Geimpfte. Spahn sagte, in Regionen mit hohen Corona-Zahlen seien idealerweise tägliche Tests angezeigt. Tests für Besucher sollen kostenlos möglich sein. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz beklagte "unverbindliche Formulierungen".

Zugangsregeln: Die bundesweit schon vereinbarten Vorgaben für den Zutritt zu bestimmten Innenräumen nur für Geimpfte, Genesene und Getestete (3G) müssten konsequent kontrolliert werden, mahnten Bund und Länder. Die Fachminister gingen in Lindau nun aber noch einen Schritt weiter: Nötig seien effektive Maßnahmen, «die vor allem die Ungeimpften in den Blick nehmen», heißt es in einer Erklärung. Das bedeute, dass je nach regionaler Lage Zugänge auf Geimpfte und Genesene (2G) beschränkt werden könnten. Erste Länder sind das schon angegangen. Sachsen setzt ab Montag die 2G-Regel in Teilen des öffentlichen Lebens flächendeckend um. Spahn erläuterte, es sei erstmals Konsens zwischen Bund und allen Ländern, dass es solche 2G-Regelungen geben müsse.

Weitere Instrumente: Die Ministerinnen und Minister sprachen sich für erneute Ausgleichszahlungen an Kliniken aus, die wegen der Behandlung von Corona-Patienten Kapazitäten frei halten. Das solle rückwirkend zum 1. November gelten, sagte Sachsen-Anhalts Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD). Es werde wahrscheinlich bald wieder darum gehen, bestimmte planbare Eingriffe zu verschieben. Die Gesundheitsminister forderten den Bund laut Beschluss auch auf, eine Rechtsgrundlage für eine generelle Auskunftspflicht von Arbeitnehmern zu ihren Impfstatus beim Arbeitgeber zu schaffen. Eine Debatte gibt es auch erneut dazu, Schnelltests wieder gratis zu ermöglichen. Das vom Bund finanzierte Angebot von Bürgertests für alle war Mitte Oktober ausgelaufen.

Nächste Schritte: Ob es bald eine Corona-Besprechung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und den Ministerpräsidenten gibt, blieb weiter offen. Regierungssprecher Steffen Seibert kündigte für die nächste Woche vorerst keinen Termin dazu an. Zunächst sollten auch die Gesundheitsminister-Beschlüsse abgewartet werden. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) forderte eine schnelle Beratung. Man müsse jetzt Maßnahmen treffen und nicht erst in zwei oder drei Wochen. Eine von den möglichen künftigen Koalitionären SPD, Grüne und FDP geplante neue Rechtsgrundlage für Corona-Maßnahmen soll am 18. November im Bundestag beschlossen werden, wie es aus Kreisen der drei Parteien hieß. Die jetzige Rechtsbasis einer «epidemischen Lage von nationaler Tragweite» soll zum 25. November enden und durch einen abgespeckten Katalog möglicher Maßnahmen ersetzt werden.

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