Siegfried Dittler. Foto: Gottschall
Kultur
LAKS-Geschäftsführer Siegfried Dittler zum Kulturhaus Osterfeld: „Die ideale rechtliche Form gibt’s nicht“
  • Das Gespräch führte Michael Müller

Pforzheim. Die Querelen im Kulturhaus Osterfeld hatten dazu geführt, dass dessen Leiter, Andreas Mürle, die das Haus tragenden Urvereine (Penn-Club und Amateurtheaterverein) nicht mehr geschlossen hinter sich hatte und als geschäftsführender Vorstand hinwarf. Im Interview spricht der Geschäftsführer der Landesarbeitsgemeinschaft der Kulturinitiativen und soziokulturellen Zentren über die Vor- und Nachteile solcher Strukturen.

PZ: Herr Dittler, wie beurteilen Sie den Ruf des Osterfelds?

Siegfried Dittler: Das Kulturhaus Osterfeld in Pforzheim ist seit 25 Jahren ein Erfolgsmodell, was durch das Programm, die Besucherzahlen und auch die Eigenerwirtschaftungsquote verdeutlicht wird. Aktuell ist der Jahresrückblick 2019 erschienen, der dies eindrücklich dokumentiert und unterstreicht. Das Osterfeld gehört auch landesweit zu den Häusern mit einem sehr hohen Ansehen.

PZ: Wie viele soziokulturelle Zentren, die in Ihrer Vereinigung organisiert sind, haben eine vergleichbare Struktur wie das Osterfeld?

Siegfried Dittler: Die LAKS Baden-Württemberg hat neben dem Osterfeld landesweit noch weitere 71 Mitgliedszentren, von denen 93 Prozent als gemeinnütziger Verein organisiert sind. Ein Mitglied ist es als Stiftung: das Theater Lindenhof. Nur vier unserer Mitglieder sind als gemeinnützige GmbH organisiert: das Roxy in Ulm, Scala in Ludwigsburg, Nellie Nashorn in Lörrach und Radio Dreyeckland in Freiburg.

PZ: Ist Ihnen bekannt, dass Zentren derzeit ihre Vereinsstrukturen modernisieren?

Siegfried Dittler: Einige Zentren bauen die Vereinsstrukturen dahingehend um, dass nicht die ehrenamtlichen Vorstände, sondern die hauptamtlichen Geschäftsführer die Hauptverantwortung tragen, indem sie die Position des geschäftsführenden Vorstands einnehmen – wie dies im Kulturhaus Osterfeld zuletzt auch Andreas Mürle tat. Daneben gibt es üblicherweise Kontrollorgane wie einen Aufsichtsrat oder beratend einen Beirat.

PZ: Dass wie in Pforzheim mehrere Vereine ein Haus aufbauen und tragen – welche Beispiele im Land würden Sie nennen?

Siegfried Dittler: Im E-Werk Freiburg sind zwei unterschiedliche Gründungsvereine im E-Werk-Verein aufgegangen, als das neue Haus aufgebaut wurde. Im franz.K in Reutlingen waren mehrere Initiativen und Vereine die treibende Kraft zum Aufbau eines Kulturzentrums. Auch der Karlstorbahnhof Heidelberg wird von mehreren Vereinen getragen.

PZ: In Pforzheim wird diese Struktur bisweilen als suboptimal erachtet. Gibt es in Ihren Augen eine zeitgemäße rechtliche Form?

Siegfried Dittler: Den Idealfall einer rechtlichen Form gibt es nicht, sie muss zu den Bedürfnissen und den Strukturen des Hauses und der Stadt passen. Eine gGmbH beispielsweise agiert in der Regel wie der Verein auch über einen Geschäftsführer. Bei der gGmbH ist dieser den Gesellschaftern gegenüber verantwortlich, beim Verein dem Vorstand. Bei der strategischen Ausrichtung sind die Gesellschafter einer gGmbH gefragt, beim Verein ist dies in der Regel der Vorstand. Der Verein ist nach wie vor ein probater Rahmen für soziokulturelle Zentren, aber auch für Sportvereine, wie dem SC Freiburg oder soziale Einrichtungen wie dem Deutschen Roten Kreuz.

PZ: Wie definieren Sie in der LAKS Baden-Württemberg eigentlich soziokulturelle Zentren?

Siegfried Dittler: Sie entstehen durch bürgerschaftliches Engagement und decken ein Grundbedürfnis nach Kultur ab. Sie sind dezentral, also in den Städten und im ländlichen Raum zu finden. Die freie Trägerschaft ermöglicht Teilhabe und Unabhängigkeit und schafft dadurch die Voraussetzung für eine aktive Zivilgesellschaft. Das Konzept der künstlerischen Vielfalt der Zentren enthält ein spartenübergreifendes Programm, gepaart mit der Förderung neuer Formate, Künstler und Genres, und ermöglicht das Entdecken, Erleben und Gestalten einer offenen Gesellschaft. Die gesellschaftliche Relevanz dieser Zentren liegt darin, dass sie kulturelle Gestaltung und Teilhabe für alle ermöglichen und dadurch ein demokratisches Miteinander direkt erleben lassen sowie aktuelle gesellschaftspolitische Themen vorantreiben.

Zur Person: Friedrich Dittler

Friedrich Dittler hat Kulturmanagement an der PH Ludwigsburg und Public Management an der Hochschule Kehl studiert. Als ehemaliger Geschäftsführer des E-Werks in Freiburg, der Alten Feuerwache in Mannheim und dem Waschhaus in Potsdam hat Dittler bereits umfangreiche Erfahrungen in Kulturzentren gesammelt – und sich zudem als Teilnehmer des Forschungsprojekts „Reccord“ der Universität Aarhus mit der Thematik „Partizipation in europäischen Kulturzentren“ beschäftigt. Zuletzt hat er im Rahmen des Kulturdialogs des Landes Baden-Württemberg das Forum „Neue gesellschaftliche Bündnisse“ geleitet. Seit dem 1. Juli ist Siegfried Dittler Geschäftsführer der LAKS Baden-Württemberg e.V., der Landesarbeitsgemeinschaft der Kulturinitiativen und soziokulturellen Zentren.

Osterfeld-Rücklagen schmelzen dahin

Alarmierende Signale sendet der letzte Geschäftsbericht, den Andreas Mürle und Reinhard Kölmel, die ehemaligen Vorsitzenden des Kulturhauses Osterfeld e.V., vorlegen. Nach aktueller Prognose werde das Osterfeld das Jahr 2020 mit einem dunkelblauen Auge abschließen. „Ein weiterer Lockdown wäre sicher auch für uns eine Katastrophe“, heißt es im Bericht. Allein wegen der pandemiebedingten Absage des „Winterträume“-Varietés wurde ein großer Einnahmeposten aus dem Haushalt gestrichen. Die Pläne basieren auf der Annahme, dass Veranstaltungen bis Jahresende nur mit Abstandsregeln durchführbar sind.

Ein ausgeglichenes Ergebnis sei nur durch eine deutlich erhöhte Entnahme der Rücklagen zu erreichen, schreiben Mürle und Kölmel. Nachdem die Rücklage in den Vorjahren um die 340.000 Euro schwankte, schmilzt sie auf nun 133.000 Euro. Insgesamt sinken die Einnahmen im Haushaltsplan von 2,5 Millionen Euro (2019) auf rund 1,9 Millionen Euro. „Wir benötigen die Stadt Pforzheim und das Land weiter als verlässliche Partner“, so der Appell im Bericht. Das Haus benötige dringend die Zusage der Stadt, den Zuschuss fürs Musik- und Theaterfestival (70.000 Euro) auf 2021 zu übertragen.

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