Informelle Kunst mit Farbflächen: Hartmut Häcker bei seiner Ausstellung „Oumuamua“. Foto: Meyer
Zwei Arbeiten (rechts), inspiriert von der Farbigkeit eines Vermeer van Delft.
Einbezug des Zufalls: Zwei Pappen.
Vielschichtigkeit auf Sichtbeton.
Kultur
Hartmut Häcker eröffnet am Sonntag Schau in Pforzheimer Raphaelkirche
  • Michael Müller

Pforzheim. Ein in Wien gesehener Jade-Stein, in Salzburg bewunderte Fresken: Der Künstler Hartmut Häcker nutzt konkrete Motive, um sie in seine informelle, mit Farbflächen arbeitende Malerei umzuwandeln. Und zwar stets aus der Erinnerung heraus, im Hineinhören in sich selbst, in sein Empfinden, im Auseinandersetzen und Verselbstständigen im Laufe des malerischen Prozesses – bis er sich ganz jenseits des zugrundeliegenden Motivs wiederfindet.

An das er sich teilweise gar nicht mehr erinnert. Was nicht weiter schlimm ist, denn Häcker kopiert nicht, er will auch keine Geschichten erzählen. „Für mich zählen nur die Farben, die ich mir herausgucke“, sagt der 55-Jährige. So werden die Arbeiten zu Häckers ganz persönlichen Tagebüchern.

Gut veranschaulichen dies zwei seiner 2015 an der Europäischen Kunstakademie Trier entstandenen Diplom-Arbeiten. Atmosphärisch umweht sie die blaue Farbigkeit und ruhige Stimmung der Bilder eines Jan Vermeer van Delft – bei Häcker auf sehr konzentrierte und meditativ verdichtete Weise. Links daneben hängt im oberen Stockwerk der Raphaelkirche eine Malerei, die an Caravaggio erinnert. Auch sonst finden sich Bezüge zu Barock und Renaissance, im weitesten Sinne. In der Kirche zeigt Häcker bis Mitte November rund 30 Hochformate, darunter auch Exemplare mit düsterer Wirkung. Kuratorin Monika Ziemer faszinieren die Arbeiten durch ihre delikate Farbigkeit und Rätselhaftigkeit, die Vielfalt zwischen Poesie und Dramatik. Beim ersten Betrachten erkenne man die künstlerischen Mittel nur teilweise: Wie hat er die Spuren auf der Leinwand hinterlassen? Welche Farbe war zuerst da? Wie entstehen die unterschiedlichen Oberflächen? Wo beginnt der Zufall? Was ist Handwerk.

Zur Freude, überrascht zu werden, passt der Titel der Ausstellung: „Oumuamua“. Das hawaiianische Wort bedeutet „Botschafter aus einer fernen Vergangenheit“. Diesen Namen trägt ein interstellares Objekt, das 2017 entdeckt wurde. Schon vor zwei Jahren entführte Häcker ins All: bei seiner Schau „Is there a Life on Mars?“ in der Künstlergilde Buslat. Nun mag er einfach den schönen, lautmalerischen Klang des „Oumuamua“.

Nicht nur wegen der Corona-Pandemie ist dies Häckers erste Ausstellung in diesem Jahr: Denn lange Zeit sah es nicht so aus, dass Häcker überhaupt wieder arbeiten kann. Nach einer Thrombose vor einem Jahr, infolge eines Herzinfarkts, konnte er seine Finger nur noch unter massiven Schmerzen bewegen. Sogar eine Amputation drohte, wie er erzählt. „Ich war schon zufrieden, wenn ich mein Smartphone halten konnte.“ Das ist zum Glück Geschichte. Abgesehen von kleinen feinmotorischen Mängeln und einem „komischen Kribbeln“ malt er heute wieder. Und zwar noch radikaler für sich, auf sein Innerstes hörend. „Es ist schließlich meine Kunst, ich mache das primär für mich.“

Häcker arbeitet mit Acrylfarbe, Ölfarbe und Lacken, oft mit allem in einem Bild. Kenntnis der unterschiedlichen Eigenschaften einerseits, aber auch der Einbezug des Zufalls prägen seine Arbeiten. Beim Besuch im Friolzheimer Atelier entdeckte Ziemer zufällig als Paletten genutzte, rechteckige Backformen. Darin legt Häcker seine Pinsel ab. Eigentlich sind dies Nebenprodukte des Arbeitsprozesses, nicht fürs Publikum gedacht. Auf Ziemers Wunsch hin werden auch sie nun ausgestellt, als Wand-Installation. Die Kuratorin findet sie „ganz besonders ästhetisch inspirierend“.

Die Ausstellung wird am Sonntag um 11.45 Uhr in der Raphaelkirche, Turnstraße 5, in Pforzheim eröffnet. Sie ist bis 15. November zu sehen: dienstags von 15 bis 16.30 Uhr, donnerstags von 12 bis 13 Uhr sowie nach Vereinbarung unter Telefon (0 70 44) 4 81 17. Bildergalerie im Internet auf www.pz-news.de

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