Ich stehe am 24.06.2017 vor dem großen Southside Schriftzug.  

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Kultur
Green Day, Bier und große Gefühle: Das Southside-Festival 2017
  • Leonie Thiel

35 Grad, Menschenmassen strömen über das riesige Flughafengelände, Biergeruch liegt in der Luft. Das Southside Festival in Neuhausen ob Eck am vergangenen Wochenende hat mich mit großen Live-Acts wie Casper, Green Day und Linkin Park begeistert. Nach dem das Großevent letztes Jahr sprichwörtlich ins Wasser gefallen ist, hat dieses Mal alles reibungslos geklappt. Mit unglaublichen Erinnerungen, abgefahrenen Geschichten und vielen leeren Pfanddosen im Gepäck bin ich zurückgekommen. Das Wetter hat uns dieses Mal keinen Strich durch die Rechnung gemacht und wir hatten das Glück, alle Bands bei schönstem Wetter miterleben zu dürfen. 60.000 Leute lassen sich dieses Spektakel nicht entgehen. 

Ich bin mit zwei Freunden in einem alten Renault Espace zum Festival gedüst – der schon auf dem Hinweg alarmierende Geräusche von sich gegeben hat. Doch mit Mühe und Not haben wir den Parkplatz erreicht. Was mit dem Auto und dem Rückweg ist, war uns vorerst egal – denn jetzt hieß es, eine unvergessliche Zeit zu haben. Drei Stunden ewiges Anstehen in der Menschenmenge trennten uns noch vom Campingplatz.

Das Gefühl auf einem Festival lässt sich schwer begreifbar machen für Menschen, die das noch nie erlebt haben. In einer riesigen Menschenmasse unterzugehen, die alle zusammen gute Musik feiern, ist unbeschreiblich. Arm in Arm vor einer riesigen Bühne zu stehen, auf der Legenden wie Green Day stehen, und selbst alle Lieder auswendig mitsingen. Sich die Seele aus dem Leib tanzen und jeden Mist, der in der Welt passiert, vergessen.

Obwohl das Leben auf einem Festival mit vielerlei unangenehmen Dingen wie Schweißgeruch und stinkenden Dixi-Klos verbunden ist, ist es das immer wieder wert. Staub, Schmutz und Bierduschen kann man nicht entgehen. Duschen sind überfüllt, für einen Gang aufs Klo muss mindestens eine halbe Stunde eingeplant werden, Getränke auf dem Festivalgelände kosten ein Vermögen. Sturzbetrunkene Männer brüllen irgendwelche Mallorca-Schlager, an jeder Ecke dröhnt eine andere Musik. Ein Festival ist nicht für Jedermann. Doch diejenigen, die sich mit all dem arrangieren können, werden mit der größten Party des Jahres belohnt. Das Gefühl, wenn der Lieblingsmusiker auf die Bühne kommt, ist mit nichts zu vergleichen.

Auch die Gemeinschaft auf dem Campingplatz ist etwas ganz Besonderes. Wenn man sein Zelt aufgebaut hat, wird man von seinen Nachbarn begrüßt, lernt sich kennen und lernt sich lieben. Vier Tage Festival-Camping verbinden. Man teilt sich seine Ravioli-Dosen, verschenkt Bier, pöbelt zusammen die vorbeilaufenden Besucher an und geht zusammen auf die Konzerte. Jeder wird so angenommen wie er ist. Es wird nicht nachgefragt, es wird nicht abgewägt, ob Hilfsbereitschaft jetzt überhaupt angebracht wäre. Man kann jeden Schwachsinn labern und wird trotzdem akzeptiert. Festival-Freundschaften halten oft nur kurz, da meistens alle über Deutschland verteilt wohnen, aber sie sind etwas Seltenes. Eine Art der Verbundenheit, die bestimmt auch daher rührt, dass der Alkohol in den Adern fließt.

Der Abschied von einem Festival ist oft zwiegespalten: Am liebsten würde man für immer berühmte Bands hören, Bier trinken und sich den Frust von der Seele tanzen. Doch vier Nächte ohne richtigen Schlaf, mangelnde Hygiene und Beine voller blauer Flecken hinterlassen seine Spuren. Und die Aussicht auf eine Dusche daheim und frisch gekochtes Essen lassen den Abschied gut verschmerzen.

Allerdings steht ja noch die Heimreise an, und die hat sich für einige Festivalbesucher schwieriger gestaltet, als erwartet. Zum Beispiel für mich und meine Freunde.

Nachdem wir all unser Gepäck zusammengesammelt hatten und endlich im Auto saßen, sprang es nämlich nicht an. Egal was wir versuchten, da war nichts mehr zu machen. Da blieb uns nichts anderes übrig, als den ADAC zu bestellen und mit dem Abschleppwagen zur nächsten Werkstatt zu fahren. Dort trafen wir weitere Pechvögel, die es vom Festival (noch) nicht nach Hause geschafft hatten. Die ADAC-Mitarbeiter waren total überfordert, ständig ging ein neuer Anruf vom Southside-Festival ein.
Nach stundenlangem Warten wurden wir von dem Vater eines Freundes abgeholt. Acht Stunden nach Aufbruch vom Campinggelände war ich endlich daheim, endlich geduscht und endlich im Bett. Und trotz allem würde ich es jeder Zeit wieder machen. Denn die besten Geschichten erlebt man auf so einem Festival.

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