Initiative «Querdenken»
Die «Querdenken»-Demonstration richtet sich gegen die Pandemie-Einschränkungen der Bundesregierung.
Christoph Schmidt/dpa
Baden-Württemberg
Gesundheitsminister Manne Lucha: Stuttgarter «Querdenken»-Demo «Schlag ins Gesicht»

Stuttgart. Tausende - ohne Maske und Abstand: Nach Kritik spricht Baden-Württembergs Gesundheitsminister von einer «gesamtgesellschaftlichen Gefährdung». Und bringt ein Verbot künftiger Corona-Demos ins Spiel.

Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) will alles dafür zu tun, dass sich Demonstrationen wie am Samstag in Stuttgart mit Tausenden ohne Maske und Abstand nicht wiederholen.

«Das, was gestern passiert ist, ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich an die Pandemieregeln halten. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Gefährdung und dazu geeignet, die dritte Corona-Welle zu befördern», sagte Lucha am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. Den Demonstranten sei es nicht um Freiheitsrechte gegangen, sondern darum die demokratische Grundordnung zu stören.

In der kommenden Woche werde es Gespräche mit der Stadt geben. «Wir werden die Situation analysieren», kündigte Lucha an. Seiner Ansicht nach gibt die derzeit gültige Corona-Verordnung des Landes ein Verbot solcher Massenversammlungen her. Deshalb halte er eine Anpassung der Corona-Verordnung für nicht nötig. Dies hatte Stuttgarts Ordnungsbürgermeister Clemens Maier ins Spiel gebracht. Man werde sich mit der Landesregierung beraten, inwieweit die Corona-Verordnung nach den Erfahrungen in Sachen Versammlungen angepasst werde, sagte Maier.

Mehr als 10.000 Menschen - größtenteils ohne Masken und Abstand - hatten nach Angaben der Polizei am Karsamstag in Stuttgart bei einer Kundgebung der «Querdenken»-Bewegung gegen die Corona-Politik demonstriert. Dabei sei es bis auf wenige Ausnahmen friedlich geblieben, sagte ein Sprecher. Hunderte Beamte waren im Einsatz, schritten wegen der Verstöße gegen die Corona-Regeln aber kaum ein. Das rief viel Kritik hervor - ebenso wie Angriffe auf Journalisten.

Uwe Lahl vom baden-württembergischen Gesundheitsministerium etwa sagte: «Ich verstehe nicht, dass die Stadt sich sehenden Auges in diese Situation manövriert hat.» Sowohl schriftlich als auch in einem persönlichen Telefonat habe er dem Stuttgarter Ordnungsbürgermeister Maier die Möglichkeiten aufgezeigt, die die Corona-Verordnung des Landes auch für ein Verbot von Großdemonstrationen hergebe, beklagte der Ministerialdirektor.

Die Stadt habe sich dann gegen ein Verbot entschieden. «Das war aus infektiologischer Sicht in dieser Phase der Pandemie falsch», so Lahl. Wie solle man der Bevölkerung erklären, dass sich an den Osterfeiertagen nur fünf Menschen aus zwei Haushalten treffen dürften, während Tausende Demonstranten ohne Maske und ohne Mindestabstand durch die Stadt zögen.

«Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut, aber in einer Pandemie gibt es auch dafür Grenzen», sagte Lahl.

Auch in sozialen Netzwerken machte sich breit angesichts der Bilder eng beieinander stehender Menschen teils ohne jeglichen Mund-Nasen-Schutz. Eine Twitter-Nutzerin fragte beispielsweise, wie sie ihren Schülern erklären solle, «dass sie bei Treffen mit drei Freunden Bußgelder im dreistelligen Bereich zahlen müssen, Corona-Leugner sich aber von der Polizei geschützt zu 100en ohne Maske und Abstand durch die Stadt bewegen dürfen?»

Der Sprecher der Stadt Stuttgart, Sven Matis, erklärte, man habe sich an die geltende Corona-Verordnung des Landes gehalten, die das Grundrecht auf Versammlungen nicht wegen der Pandemie einschränke. «Das war unser Gradmesser», so Matis. «Wir haben intensiv über den Umgang mit den angemeldeten Kundgebungen gerungen, uns dann - um auf sicheren Grund zu stehen - an der Landesverordnung orientiert.»

Bürgermeister Maier zufolge gab es Tausende Ordnungswidrigkeiten. Alle, die ohne Maske und ohne Abstand auf den Kundgebungen durch die Stadt zogen, müssten mit Anzeigen rechnen.

dpa

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