Gerhart Odenwald und Ingrid Jörg vor einem für die Künstlerin eher untypischen Sujet: Katzen waren ihre bevorzugten „Mitbringsel“. Foto: Meyer
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Gerhart Odenwald zeigt Werke der Berliner Künstlerin Ingrid Jörg
  • Gabriele Meyer

Pforzheim. „Bei Vernissagen halten sich die Hamburger am Sektglas fest, scheuern mit dem Arsch an den Bildern und bequatschen, was sie gestern erlebt haben“.

Die Kritik des verstorbenen Henri Nannen am Eröffnungsspektakel mag ihre hanseatische Berechtigung haben – bei Gerhart Odenwald in Pforzheim zeigt sie in die falsche Richtung. In die ehemaligen Produktionsräume an der Wagnerstraße holt der engagierte Kunstfreund seit Jahren Ausstellungen, die den Blickwinkel auf die Welt in neuer, überraschender Weise öffnen. Odenwalds besondere Liebe gehört den Künstlerbüchern – und so entdeckte er auch die Arbeiten von Ingrid Jörg. Deren märchenhafte Kinderbücher für Erwachsene weisen sie als begnadete Grafikerin aus. Dass sie als bedeutende Malerin ihre künstlerische Begabung und ihre Visionen auch in ein anderes Ausdrucksmittel übertragen kann, war für Odenwald eine Überraschung – und ein Grund, beide Arbeitsrichtungen zu präsentieren.

Die heute 84-jährige Jörg gehörte als Dritte im Bunde zu der von Wolfgang Jörg und Erich Schönig gegründeten Berliner Handpresse, bei der 250 bibliophile Kostbarkeiten erschienen sind – zunächst mit Holz- und später mit Linolschnitten, die mit ihrer lebhaften Farbigkeit zwischen acht und zehn Druckvorgängen erforderten. „Nur wenige Künstler im Nachkriegsdeutschland haben den Linolschnitt auf dieses Niveau gebracht“, unterstrich Wolfgang Grätz, Geschäftsführer der Büchergilde Frankfurt, die Bedeutung der Künstlerin.

Fast spielerisch, voller fantastischer Komponenten und hoch artifiziell bestehen die Linolschnitte ihre erzählerische Feuerprobe und erlauben die Annäherung an das Bild wie an ein Märchen. Der dazugehörende Text ist dabei nur Orientierung. „Ich wollte immer auch frei sein“, verweist die Künstlerin auf die sehr persönliche und eigenwillige Umsetzung der vorgegebenen Themen. Es sind zauberhaft poetische Blätter, die Gerhart Odenwald nach Pforzheim geholt hat. Der Betrachter fühlt sich animiert, sich auf das freudige Abenteuer des Entdeckens einzulassen, mitunter den verhaltenen Witz hinter der realen Figur zu erkennen. Seit zehn Jahren hat sich Jörg der Malerei zugewandt. Und immer mehr vertraut sie dabei der Macht der Farben. Alles, was sie großflächig malt, entstammt der Realität und beinhaltet das Landschafts-Sujet mit einer langen malerischen Tradition.

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