Die Brexit-Experten Erik Schweickert (links) und Matthias Fifka. Foto: Scharf
Wirtschaft
Der lange Schatten des Brexit reicht bis in die Region
  • Lisa Scharf

Niefern-Öschelbronn. Eigentlich hätte am Dienstagabend alles klar sein sollen. Zwei Tage, bevor Großbritannien die EU verlassen wollte, müsste doch alles in trockenen Tüchern sein – doch es kam, mal wieder, anders. Und so diskutierte das Publikum im Nieferner Kulturbahnhof über die Folgen des Brexit, während das Unterhaus in London seinen Segen für Neuwahlen gab. Geladen zur Veranstaltung „Bye Bye Britannia“ mit Matthias Fifka, BWL-Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg, und Erik Schweickert (FDP), Enzkreis-Abgeordneter im Stuttgarter Landtag und europapolitischer Sprecher der FDP/DVP-Fraktion hatte die Friedrich-Naumann-Stiftung. Und das haben sie gesagt:

Zu den Folgen für den internationalen Handel:

„Großbritannien ist der wichtigste Exportmarkt für deutsche Pkw“, sagt Fifka, und damit ist klar, woher die große Sorge der Autoindustrie rührt. Allein im Jahr 2017 exportierte Deutschland fast 800.000 Autos auf die Insel. Welch verquere Folgen der Brexit haben könnte, verdeutlicht Fifka mit einem Beispiel: So könnten – je nach Regelung – für Unternehmen wie BMW, die sowohl in Deutschland als auch in Großbritannien produzieren, Zölle für Exporte innerhalb des Unternehmens fällig werden: Wenn zum Beispiel ein britischer Mini nach Deutschland oder ein deutscher BMW die Seiten wechselt.

Zu den Folgen für Baden-Württemberg:

Sie sind enorm – und vielfältig. Das zeigt die Antwort der Landesregierung auf eine entsprechende Anfrage der FDP/DVP-Fraktion, von der Schweickert mit einem Schmunzeln erzählt. Die Stuttgarter Wilhelma bekäme nach einem Brexit nämlich auch Probleme – mit ihren Schmetterlingen. „Diese Familie gehört den Briten“, sagt Schweickert, „aber Tiere dürfen nur EU-weit ausgetauscht werden.“ Allein dieses Beispiel zeige, wie sehr das Land in jeder noch so kleinen Sphäre betroffen sein wird – von zahlreichen britischen Beamten oder IT-Dienstleistern in den Ministerien mal abgesehen.

Die Liste der betroffenen Branchen, die Schweickert dann aufzählt, ist lang:

Sie reicht von der Film- und Medienförderung, in der die Briten bislang sehr engagiert sind, bis hin zum Umweltschutz, in dem Deutschland einen sehr engagierten Partner verliere. Die Bildung ist betroffen, etwa durch studentische Austauschprogramme, die Wirtschaft, die schon jetzt mit rückläufigen Exporten zu kämpfen hat – so sehr wie in keinem andere Bundesland – und die Gesundheitsbranche, die ihre Produkte häufig in Großbritannien zertifizieren lässt. Und das war noch nicht alles – die Liste ließe sich weiter fortführen.

Zu einem zweiten Referendum:

„In meinen ersten Reden nach dem Brexit habe ich gesagt, noch einmal wählen wäre falsch“, sagt Schweickert. Schließlich müsse man das Votum akzeptieren. Drei Jahre, viele Verzögerungen und noch mehr Debatten später hat er seine Meinung aber geändert: „Die politische Klasse in England bekommt das Problem nicht gelöst. Deshalb muss man es an die Bürger zurückgeben.“ Auch dass der Kenntnisstand der Briten mittlerweile ein völlig anderer sei, spreche dafür, sagt Fifka. Aber: „Ich glaube nicht, dass es so kommen wird.“

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