Für die formellsten Termine gilt auch beim SWDKO: Frack für den Herrn, langes schwarzes Kleid für die Damen – auch im Hochsommer. PM
So leger wie hier in der Ottersteinschule spielen die Mitglieder des Südwestdeutschen Kammerorchesters unter Dirigent Timo Handschuh nur sehr selten auf. PZ-Archiv/Seibel
Kultur
Anziehende Auftritte - Fürs Orchester gilt eine strikte Kleiderordnung
  • Simon Püschel

Die Scheinwerfer im CongressCentrum Pforzheim (CCP) haben eine ziemliche Gewalt. Zuschauer merken wenig davon, für die Musiker auf der Bühne dagegen kann das brennende Licht der Leuchten schon zur Herausforderung werden. Es kann warm sein als Musiker; richtig warm.

Das liegt vor allem an einem: Orchestermusiker können sich nicht kleiden, wie sie wollen. Sie können nicht mit Flip-Flops und Shorts zum Konzertabend gehen. Ganz genau geregelt ist das, was die Kulturträger kleidet.

In beiden Pforzheimer Orchestern gilt: Wenn es richtig offiziell wird, die Opernpremiere ansteht oder der Konzertabend, dann gibt es keine Alternativen – der Frack muss her für die Herren. Jenes Kleidungsstück aus einer anderen Zeit mit seinen ausladenden Schwalbenschwänzen am Rücken, der gestärkten Brust und der streng sitzenden Fliege in Weiß. Das ist Tradition. Und die Musiker finden das gut, obwohl es manchmal fordernd ist.

„Ich finde diese Regeln absolut wichtig“, sagt Matthias Botzet, Solo-Kontrabassist des Südwestdeutschen Kammerorchesters Pforzheim (SWDKO). Er ist nicht alleine mit seiner Meinung. „Wir sind ein Kulturträger und stehen deshalb auch für Kleidungskultur“, sagt Gudrun Fährmann, die über Jahrzehnte Harfenistin bei der Badischen Philharmonie Pforzheim war. Kommt der Kollege im Frack, tragen Musikerinnen ein schwarzes Abendkleid – die Länge ist keine Geschmacksfrage. In der obersten Förmlichkeitskategorie darf das Kleid nicht kurz sein. „Schwarz, lang“, steht dann im Dienstplan.

Der Geschäftsführer des SWDKO, Andres Herrmann, legt in ihm die Proben- und Aufführungszeiten fest – und auch, welche Kleiderordnung gilt. Denn ganz formell muss es nicht immer sein. Viele Orchester kennen einheitliche Kleidungsvorschriften auch für Anlässe nachgeordneter Eleganz. Außer bei Premieren – die im Frack – spielt die Badische Philharmonie im Orchestergraben meist im schwarzen Hemd mit Jackett. „Manche Regisseure haben sich beschwert, dass ein weißes Hemd aus dem Graben hervorsticht und auch mal von der Bühne ablenken kann“, sagt Nigel Treherne, Solo-Oboist bei der Badischen Philharmonie.

Knielang geht auch

Das SWDKO legt den Frack durchaus auch mal zur Seite und spielt dann im schwarzen Anzug, mit weißem Hemd und Krawatte. Die Damen kleiden sich auch hier entsprechend. Schwarz bleibt, das Kleid darf aber durchaus nur bis zum Knie gehen. Von solchen strengen Regeln sind manche Musiker ausgenommen. „Solisten können machen was sie wollen“, sagt Fährmann. Aber auch sie versuchen, in angemessener Kleidung zu erscheinen. Doch manchmal vergessen selbst sie ein Kleidungsstück. „Ich war als Solist mit einem Londoner Kammerorchester auf Tournee in Italien und hatte meine schwarzen Schuhe vergessen“, sagt Treherne. „Alle Geschäfte waren geschlossen. Ich habe dann einfach in schwarzen Socken gespielt.“ Hat das Publikum die Täuschung bemerkt? „Ich glaube nicht“, sagt Treherne. „Aber die Geiger haben sich ziemlich amüsiert.“ Jahrelang war Treherne Orchestervorstand bei der Badischen Philharmonie – und deswegen zuständig für eine ganz besondere Tradition: das Kleidergeld.

Tritt das Orchester im Frack und langen Kleid auf, gibt es eine Ausgleichszahlung, einen Zuschuss für die Anschaffung und Pflege der besonderen Kleidung. Ist das denn nötig? Botzet findet das schon. „Nach einer Saison kann so eine Frackfliege auch schon mal gelb sein“, sagt er. Denn die Scheinwerfer brennen.

Selbst auf den Dirigenten. Der aber hat einige Freiheiten. Zu sehr kostet er nicht davon. „Wenn mein Orchester bloß in Schwarz spielt, trage ich auch mal eine Jacke mit Stehkragen“, sagt Markus Huber, Generalmusikdirektor der Badischen Philharmonie. Wenn es aber Frack heißt für die Musiker, sieht sich auch Huber in der Pflicht. „Ich habe einmal bloß einen Anzug getragen, als das Orchester im Frack war. Da habe ich mich richtig schlecht gefühlt.“

Die Kleidung sagt also schon etwas aus, ist mehr als eine bloße Hülle. Aber kühlt dieser hohe Sinn denn bei brennenden Scheinwerfern? Wohl kaum. Aber einfacher macht er sie schon, die Mühe.

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