Rund 100 Werke des Bildhauers Alberto Giacometti (1901–1966) und des Malers Francis Bacon (1909–1992) sind in der Fondation Beyeler zu sehen. Foto: Niedermann/Lagiewski/Keen/Moma/Fondation Giacometti
Kultur
Ähnlicher Lebenswandel: Bildhauer Giacometti und Maler Bacon
  • Sandra Pfäfflin

Pforzheim. Auf den ersten Blick scheinen sie wenig gemeinsam zu haben: der Bildhauer Alberto Giacometti mit seinen ausgezehrten Figuren und der Maler Francis Bacon, dessen drastische Menschenbilder von Farbigkeit geprägt sind. Doch Claudia Baumbusch wirft in ihrem Vortrag im PZ-Forum anlässlich der Ausstellung in der Fondation Beyeler (siehe „Selten gezeigte Werke“) einen zweiten Blick, der zahlreiche Gemeinsamkeiten dieser beiden Männer offenbart, die in den 1960er-Jahren eine kurze Freundschaft verbindet.

Biografie und Eigenheiten

Beide sind im gleichen Jahrzehnt geboren: Giacometti am 10. Oktober 1901 im schweizerischen Borgonovo in eine Künstlerfamilie, Bacon, der Autodidakt, am 28. Oktober 1909 in Dublin in einen vom gewalttätigen Vater geprägten Haushalt. Als offen bekennender Homosexueller spielt sich ein Teil seines Lebens in der Halbwelt ab, mit Alkohol als permanentem Begleiter. Kettenraucher Giacometti, Bohemien und Eigenbrötler, stirbt im Alter von nur 64 Jahren an den Folgen seiner chronischen Bronchitis. Sexuelle Fantasien sind beiden eine wichtige Quelle der Inspiration, bestimmen beim Jüngeren einen wichtigen Teil seiner Bildwelten, während der Schweizer seine Bordellbesuche nur in einem Lithographie-Buch festhielt.

Skulptur und Malerei

Beide sind Ausnahmekünstler des 20. Jahrhunderts – auch in ihrer lebenslangen Beschäftigung mit der Figur. Gerade nach dem Zweiten Weltkrieg, als beide zu großen Karrieren durchstarten, wird die Abstraktion von vielen als einzig adäquates Ausdrucksmittel gesehen. Die Erfahrung des Körpers ist für die zwei existenziell wichtig: die des eigenen, des Modells und letztlich auch des Betrachters. Beide sind obsessiv in ihrer Kunst: nie zufrieden, immer zweifelnd, mit der Angst als eine Triebfeder ihres Schaffens. Dabei richtet sich ihre Zerstörungswut regelmäßig gegen die eigenen Arbeiten – mögen sie auch noch so mühsam entstanden sein: Sie werden zerstört.

Muse und Schreie

Die Künstlerin Isabel Rawsthorne hat die Bekanntschaft der beiden eingefädelt. Nach 1945 als kurzzeitige Geliebte Giacomettis ist sie nach Aussagen von Bacon „die einzige Frau, mit der er eine sexuelle Beziehung“ hatte. Beide porträtieren sie. Schon 1936 formt der Bildhauer ihre Büste aus Gips – so als sei sie eine altägyptische Schönheit, die durch die Überarbeitung mit Bleistift ganz eigenwillig wirkt. Bei Bacon ist Isabel die „Femme Fatal“: männermordendes, animalisches Weib mit zerfließendem Fleisch statt hübschem Gesicht, Stierfuß statt schlanker Fessel. Die Schrecken der Welt: Beide schreien sie in ihrer Kunst heraus. Giacometti mit seinem im Käfig gefangenen Werk „The Nose“, Bacon mit seinen ebenfalls im Raum gefangenen Päpsten. Und je fadendünner die Figuren des Schweizers werden, je weniger sein „Schreitender“ sich überhaupt von der Stelle bewegen kann, umso gewalttätiger werden auch Bacons Bilder: zermatschte Leiber, Ströme von Blut und ein Selbstporträt, das schaudern lässt.

Themen

Kultur