Zahlreiche Zuschauer einer Schlägerei in der Pforzheimer Nordstadt wurden kontrolliert und zu der Auseinandersetzung befragt. Sehr gesprächig waren die Befragten jedoch nicht.

Symbolbild: dpa
Pforzheim
80 Zuschauer bei Nordstadt-Schlägerei - und keiner hat etwas gesehen
  • Thomas Kurtz

Pforzheim. Die erste Aufregung um eine Messerstecherei an der Kronprinzenstraße in der Pforzheimer Nordstadt hat sich gelegt, die Ermittler haben sich einen Überblick verschafft – und die nun exakt vorliegenden Zahlen sind noch eine Spur beeindruckender als in der ersten Polizeimeldung vom Sonntag. So waren es 23 Streifenwagen, die zu einer Shisha-Bar eilten. Davor hatten sich 70 bis 80 Personen versammelt. Aber, so Polizeisprecher Frank Otruba, geprügelt haben sich vielleicht nur eine Hand voll Männer.

Per Notruf gemeldet wurde um 1.40 Uhr eine Auseinandersetzung mit etwa zehn Beteiligten. Ob es so viele waren, weiß man aber nicht, weil alle Beteiligten und Zuschauer eisern schweigen. Dass die Polizei dann gleich mit einem Großaufgebot an Beamten reagiert, sei der Tatsache geschuldet, dass heutzutage viele Jugendliche und junge Männer bewaffnet seien. Und ein Messer ist schnell gezückt. Und ein Messerstich kann schnell lebensgefährlich sein. „Das war vor ein paar Jahren noch nicht so, dass jeder mit einer Waffe unterwegs war“, erinnert sich der mit Pforzheim bestens vertraute Polizeisprecher.

Zwei Opfer mit Messerstichen

Zwei wohl an der Schlägerei beteiligte Streithähne kamen mit Messerstichen in Oberkörper und Hinterteil ins Krankenhaus. Gegen deren Willen, so Otruba. Entsprechend haben sich die möglichen Kontrahenten, ein 32-jähriger Türke und ein 21 Jahre alter Iraker, zügig selbst wieder aus der Klinik entlassen. Sie müssten ja eigentlich wissen, wer sie mit dem Messer verletzt hat, sie müssten eigentlich ein Interesse daran haben, den Täter anzuzeigen. „Doch die wollen mit uns nicht reden“, sagt Otruba. Opfer? Täter? Gibt es nicht. Keiner will eine Anzeige machen. Entsprechend kurz fallen auch die Notizen bei der polizeilichen Befragung der kontrollierten Zuschauer aus. Name, Anschrift und dann: Nichts gesehen, nichts gehört, keine Ahnung von nichts und niemand.

„Das ist frustrierend für die Beamten. Wie soll die Polizei denn so eine Straftat aufklären?“, fragt Otruba. Vor allem: „Die machen das lieber unter sich aus.“ Soll heißen: Da gibt es aus was für Gründen auch immer einen Konflikt, der dann oft nach reichlich Alkoholkonsum in einem handfest ausgetragenen Streit mündet. Umstehende mobilisieren per Handy Familienmitglieder und Freunde, die, so Otruba, in Windeseile um die Schläger herumstehen, quasi als Schutzwall oder auch als Machtdemonstration.

Vier Mann mit blutverschmierter Kleidung entdeckt

Das heißt aber auch, dass die 70 bis 80 Personen am Sonntag kurz vor 2 Uhr nur zugesehen und nicht selbst zugeschlagen haben. Vier Personen wurden mit blutverschmierter Kleidung nach einer kurzen Verfolgung durch Beamte in einem Hinterhof an der Kronprinzenstraße in Gewahrsam genommen. Ihre Verletzungen und die Blutspuren wurden von der Polizei dokumentiert. Das war es dann auch schon, denn die Fragen der Beamten wurden im besten Fall wohl mit einem Schulterzucken beantwortet.

Einige der Zuschauer waren beim Eintreffen der Polizei wieder in die Shisha-Bar zurückgegangen. Kurzerhand hatten die Polizisten dann dort eine Personenkontrolle durchgeführt. „Die Personen hatten sich im Lokal schnell gegen die Polizei solidarisiert“, sagt Otruba. Ein 24-jähriger Deutscher fiel durch seine besonders aggressive Haltung auf. Mit Ellenbogen- und Kopfstößen wollte er die Ausweiskontrolle verweigern, wurde dann aber zu Boden gezwungen und fixiert.

Nationalitätenmix lässt privaten Streit vermuten

Erstaunlich war neben dem jungen Alter der zumeist zwischen 18 und 24 Jahre alten Schlägerei-Zuschauer vor allem der Nationalitätenmix. Unter ihnen gab es Iraker, Syrer, Türken, Spanier, Ungarn und „ein Viertel der Personen waren Deutsche“, so der Pressesprecher des Polizeipräsidiums Karlsruhe.

Diese Daten würden darauf hinweisen, dass es sich bei dieser blutigen Auseinandersetzung nicht um eine Auseinandersetzung zwischen organisierten Banden, sondern eher um eine spontane, private Auseinandersetzung handeln würde.

Dealer-Revierkämpfe rund um den Klingelpark?

Ein paar Meter weiter nordöstlich liegt der Klingelpark. Dort und im Umfeld des Treffpunkts habe man bei Schlägereien schon vermutet, dass es sich um Revierkämpfe von rivalisierenden Gruppen handeln könnte. Wie gut die Gruppen organisiert sind, ob es da eine bandenmäßige Hierarchie gebe, konnte Otruba nicht sagen. Aber einige der Beteiligten kenne man aus dem Rauschgiftmilieu, manche davon seien nicht das erste Mal bei solchen Auseinandersetzungen aufgefallen.

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