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Baden-Württemberg
Gewalt gegen Lehrer nimmt zu: Pädagogen werden sowohl körperlich als auch verbal attackiert - auch in der Region
  • Alexander Huberth

Stuttgart/Pforzheim. Nach Einschätzung von Schulleitern in Baden-Württemberg steigt die Zahl körperlicher Angriffe und Beleidigungen gegen Lehrer. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Landesverbands Bildung und Erziehung (VBE), die vor den Corona-Einschränkungen erhoben wurde. Knapp jede vierte Schulleitung berichtet über Fälle von körperlichen Angriffen gegen Lehrer in den vergangenen fünf Jahren. 2018 waren es noch 16 Prozent. Dennoch liegt der Anteil der Berichte über Angriffe auf Lehrer und auch Mobbing im Internet im Südwesten unter dem Bundesdurchschnitt. Dort berichtet jede dritte Schulleitung (34 Prozent) von Fällen, in denen Lehrer körperlich angegriffen wurden.

Im Vergleich zum Jahr 2018 wuchs in Baden-Württemberg die Zahl der Fälle, in denen Pädagogen beschimpft, bedroht oder gemobbt wurden. Die Beleidigungen und Bedrohungen gingen aber nicht nur von Schülern aus – auch Eltern beleidigten Lehrer, wie der Landesverbandsvorsitzende Gerhard Brand am Donnerstag berichtete.

Für die Umfrage wurden bundesweit 1302 Schulleiter befragt, darunter 251 in Baden-Württemberg. Schulleitungen teilten vermehrt mit, es falle schwerer, Lehrkräfte nach Gewaltfällen zu unterstützen. Vor zwei Jahren hatten noch 85 Prozent der Schulleiter angegeben, dass dies kein Problem sei; bei der aktuellen Umfrage war es die Hälfte der Befragten. „Wir beobachten einen doppelten Negativtrend: Während Gewaltvorfälle stark steigen, kann zugleich die dringend benötigte Unterstützung nach einem Gewaltvorfall immer seltener geleistet werden“, sagte Brand.

Zudem stieg die Zahl der Fälle von Cyber-Mobbing. „Die Schüler sind nicht per se böse, sondern steigern sich häufig da rein. Wenn man die Aussagen liest, können sie sehr bedrohlich wirken.“

Betrunkener Zehntklässler bedroht Schulleiter

Efthymios Vlahos ist Schulleiter der Bergschule in Remchingen-Singen. Er hat selbst Gewalt erlebt: Ein betrunkener Zehntklässler bedrohte und verfolgte den 35-Jährigen vor einigen Jahren, nachdem Vlahos ihn gebeten hatte, das Schulgelände zu verlassen. „Ihm sind die Sicherungen durchgebrannt, mit einer Wodka-Flasche wollte er auf mich los“, erinnert er sich. Im Endeffekt ließ der Schüler von dem Rektor der Grund und Werkrealschule ab. „Direkte Gewalt ist die Ausnahme im Schulbetrieb“, sagte Vlahos.

Die aktuellen Zahlen überraschen den Schulleiter nicht. „Ich kann es teilweise beobachten, dass gewisse Tugenden wie Höflichkeit und Respekt bei einigen Schülern in Vergessenheit geraten.“ Bei manchen sei die Gewaltschwelle niedriger. Eltern spielten ebenfalls eine Rolle, wenn sie Gewalt und Beleidigungen abwiegelten.

Das bestätigt auch Jürgen Hecht, Rektor der Pforzheimer Weiherbergschule. „Viele Eltern sind respektlos, das nehmen sich die Kinder zum Vorbild.“ Hecht will das aber auch nicht überbewerten: „Ich kann mich aktuell an keinen Fall bei uns erinnern, in dem Schüler gegenüber Lehrern gewalttätig geworden sind.“ Eher gebe es verbale Angriffe.

Fachkräfte wie Sozialarbeiter und Psychologen sind aus Sicht von Verbandschef Brand dringend notwendig. Das sieht auch Rektor Vlahos so: „Die Schule allein kann das nicht bewältigen.“

Mit Material von dpa

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