Grippeschutzimpfung des Universitätsklinikums in Dresden
Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern kommen von Donnerstag an in Lindau am Bodensee zusammen.
Robert Michael/dpa (Symbolbild)
Baden-Württemberg
Debatte um Impfpflicht für Pflegekräfte und an Schulen in Baden-Württemberg entbrennt
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Stuttgart. Vor dem Treffen der Gesundheitsminister in Lindau hat sich Baden-Württembergs Ressortchef Manne Lucha für eine Impfpflicht bei Beschäftigten zum Beispiel in Alten- und Pflegeheimen ausgesprochen. "Nachdem wir lange auf Appelle und die Einsicht der Menschen gesetzt haben, ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, eine Impfpflicht für Beschäftigte in sensiblen Bereichen wie dem Gesundheits- oder dem Erziehungs- und Bildungswesen zu fordern", sagte der Grünen-Minister am Donnerstag.

Es dürfe nicht dieselben Szenarien wie im vergangenen Jahr geben, forderte er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Damals seien viele alte Menschen an einer Corona-Infektion gestorben, weil das Virus von außen in die Einrichtungen getragen worden sei. Es gebe zwar bereits eine Testpflicht für Beschäftigte:

"Trotzdem werden Infektionen in die Heime getragen. Testen löst unser Problem nicht. Wir müssen jetzt eine Schippe drauf legen."

Die Gesundheitsminister von Bund und Ländern kommen von Donnerstag an in Lindau am Bodensee zusammen. Die Ressortchefs wollen bei ihren Beratungen den Corona-Kurs für den Winter abstecken. Diskutiert werden soll bis Freitag unter anderem, wie mehr Menschen zu Auffrischungsimpfungen bewegt werden können. Auch eine Testpflicht in Pflegeheimen ist Thema.

Impfpflicht für Beschäftigte in Heimen: eine gute Idee?
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Teilnehmer: 9370

Genau das fordert auch der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch. Luchas Vorschlag lehnte er am Donnerstag deutlich ab: "Damit treibt er die Polarisierung auf die Spitze", warf ihm Brysch vor: "Das wird in der Praxis überhaupt nichts bringen." Auch Geimpfte könnten das Virus in die Heime tragen. "Tägliche Tests sind mindestens so sicher wie eine Impfung", sagte Brysch der dpa.

"Hausaufgaben machen"

Auch die Diakonie Württemberg hält noch nichts von einer vorgeschriebenen Impfung für Beschäftigte. "Wir bleiben dabei, dass wir neben der Aufklärung und Information eine Testpflicht bevorzugen", sagte eine Sprecherin. Ungeimpfte Mitarbeiter müssten sich an jedem Arbeitstag testen lassen, geimpfte und genesene mindestens ein Mal in der Woche.

Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hält eine Impfpflicht nach Luchas Vorschlag derzeit nicht für notwendig. "Jetzt ist es am wichtigsten, dass die Politik nicht wochenlang über das Thema Impfpflicht diskutiert, sondern ihre Hausaufgaben erledigt", sagte die GEW-Landesvorsitzende Monika Stein. Landesregierung und Schulträger könnten zum Beispiel für mehr Luftreinigungsgeräte sorgen und mit mehr Engagement für das Impfen werben.

Stein warb auch für freiwillige Impfangebote an weiterführenden und Beruflichen Schulen. "Ich weiß aus Klassen an Berufsschulen, in denen erst die Hälfte der Schülerinnen und Schüler geimpft ist", sagte sie der dpa: "Warum steht nicht vor jeder Beruflichen Schule ein Impfmobil? Die Landesregierung und die Schulträger können hier noch mehr tun."

Vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) erhält Lucha ebenfalls keine Rückendeckung. Der Verband habe den Lehrerinnen und Lehrern stets empfohlen, sich impfen zu lassen, eine Pflicht dazu aber abgelehnt, sagte der VBE-Landesvorsitzende Gerhard Brand auf Anfrage. Eine Impfpflicht sei mit Blick auf die außerordentlich hohe Impfbereitschaft der Lehrkräfte auch völlig unnötig. Brand verwies auf das aktuellem Schulbarometer, nach dem bereits im September 95 Prozent der Lehrkräfte geimpft waren. "Wer weiterhin eine Impfpflicht für Lehrkräfte fordert, trägt Eulen nach Athen uns setzt die falschen Prioritäten", sagte Brand.

Auf der Konferenz der Gesundheitsminister am Bodensee will Lucha weitere Vorschläge mit seinen Ressortkollegen beraten, um die Impfbereitschaft zu steigern und das Ansteckungsrisiko zu reduzieren. Baden-Württemberg werde sich dafür einsetzen, dass der aktuelle Erstattungsbetrag von 20 Euro pro Impfung erhöht werde, sagte Lucha. "Ideal wäre, wenn die Arztpraxen am besten auch am Wochenende Impfungen anbieten würden, das muss auch entsprechend honoriert werden", ergänzte er. Nach Ansicht des Ministers muss das Impfen auch von bürokratischen Vorgaben befreit werden: "Es gilt zu überprüfen, ob die vielen seitenlangen Einwilligungserklärungen notwendig sind."

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